"Mach doch erst mal eine Sache fertig...

... bevor du eine neue beginnst" Diese Worte klingen mir noch aus Kindertagen in den Ohren. Stricken scheint mir genau so eine Sache zu sein, bei der die Versuchung, Parallelprojekte zu eröffnen bevor die alten abgeschlossen sind, sehr verlockend ist. Sei es, weil man an irgendeiner verzwickten Stelle nicht recht weiß, wie man die Sache drehen und wenden soll, sei es, weil der Postbote soeben das Paket mit der neuen, wunderschönen Wolle gebracht hat. Und manchmal ist es auch spannender, sich ein kompliziertes Strickmuster neu zu erschließen als es dann über die folgenden zweihundert Reihen routiniert zu reproduzieren.

Sollte man sich deshalb also auf nur ein Strickprojekt zur Zeit beschränken? Kaum. Viel zu hoch scheint mir das Risiko zu sein, mich durch starre Disziplinvorgaben selber schachmatt zu setzen. Am bestehenden Projekt komme ich vielleicht gerade nicht weiter, bin genervt oder lustlos. Ein neues zu beginnen verbietet mir hingegen meine Strickerinnenethik. Und schon habe ich mich selbst erfolgreich blockiert und jedes Mal, wenn ich an Stricken denke, liegt der Schatten des "Du müsstest noch..." drückend auf meinem Gewissen. Die anfängliche Begeisterung weicht der Pflichterfüllung, wie die Kartons mit dem Strickmaterial nach Monaten des ungenutzten Herumliegens in den Keller weichen.

Nicht mit mir! Ich bin für mich zu dem pragmatisch-dekadenten Schluss gekommen, dass Stricken für mich Freizeitbeschäftigung ist. Es soll mir Freude bereiten, mich entspannen oder herausfordern, in jedem Falle mir gut tun. Darum nehme ich es mir heraus, meiner Begeisterung für ein neue entdecktes Strickmuster nachzugeben und es sofort auszuprobieren. Wenn es genau das ist, was mich in dem Augenblick am Stricken fasziniert, die bunte Welt der Möglichkeiten zu erkunden und mein (noch bescheidenes) Können zu erproben, dann ist das doch wunderbar!

Es lebe der Spaß, es lebe das Parallelprojekt!